Was bedeutet Fairer Handel für die Arbeiter/innen in unserer Thunfischfabrik?

Ein Interview mit Meike Stella Batos

Das Fair-Trade-Zertifikat für Thunfischkonserven sichert nicht nur die Rechte der Fischer auf See, sondern auch die der Arbeiter in den Verarbeitungsbetrieben. Der Betrieb, der unsere Fair-Trade-Thunfischdosen herstellt, liegt direkt am Hafen in Bitung, Indonesien. Im Februar 2020 erhielt dieser das Fair-Trade-Zertifikat. Meike Stella Batos arbeitet hier seit mehr als acht Jahren und schildert, wie sie den Zertifizierungsprozess erlebt hat.

Safety First

Meike arbeitet im sogenannten “Loining-Bereich”. Dort wird das weiße Thunfischfilet (Loins) vom roten Fischfleisch abgetrennt. Sie verarbeitet rund 300 kg Thunfisch pro Tag. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen kommen sie auf mehr als 40 Tonnen Thunfisch am Tag. Der Einsatz von scharfen Messern, hydraulischen Maschinen und Förderbändern macht die Arbeit in der Fabrikhalle nicht ungefährlich. Seit der Einführung des Fairen Handels ist jedoch das Bewusstsein für die Sicherheit der Beschäftigten gestiegen, wie Meike feststellen konnte.

“Das Tragen von Handschuhen ist jetzt für alle in der Filetierabteilung Pflicht. Ein weiterer Vorteil ist, dass meine Hände nicht so schnell alt werden”, sagt Meike und präsentiert stolz ihre Hände vor der Kamera.

Zudem wurde der Fabrikboden mit einer rutschfesten Schicht versehen. “Das Abspülen von Fischen und Arbeitsmaterialien bedeutet, dass der Boden im Grunde die ganze Zeit nass ist. In der Vergangenheit hat das zu gefährlichen Situationen geführt, aber seit der neuen Bodenbeschichtung ist das Risiko, auszurutschen, viel geringer.”

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Meike beim Filetieren des Fisches

Anonyme Berichterstattung

Für Meike ist die Einführung der “Box” die bedeutendste Veränderung, seit der Fair-Trade-Zertifikation. Hier kann jeder eine anonyme Nachricht hinterlassen, wenn er oder sie das Gefühl hat, dass etwas nicht in Ordnung ist. Dabei kann es sich um eine Beschwerde über mangelnde Sicherheit oder über falsches Verhalten einer Führungskraft handeln. Dieses Verfahren bietet jedem die Möglichkeit, ein Problem zu melden, ohne Repressalien befürchten zu müssen. Meike: “Ich kenne Kollegen, die dieses Meldesystem genutzt haben. Und das Tolle ist, dass die Geschäftsführung tatsächlich gehandelt hat. Diese Möglichkeit gibt mir wirklich ein Gefühl der Sicherheit.”

Lohnenswerte Arbeit

Eine Arbeitswoche umfasst für Meike fünf volle Tage und einen halben Tag am Samstag. Seit dem Beginn des Fairen Handels ist das Einkommen an das indonesische Recht gebunden. “Die Gehälter werden jetzt pünktlich gezahlt und Überstunden werden ausgezahlt. Zu Weihnachten bekomme ich sogar Urlaubsgeld und im Krankheitsfall werde ich wie gewohnt bezahlt.”

Meike sieht ihre Kollegen jetzt als Freunde. Die meisten von ihnen kennt sie schon seit acht Jahren und nun sehen sie sich sogar außerhalb der Arbeitszeit. “Alles im Leben wird miteinander besprochen. So vergeht die Zeit wie im Flug. Es gibt einige Frauen, die auch von zu Hause aus einen Online-Shop betreiben, zum Beispiel mit T-Shirts, aber das kommt für mich nicht mehr in Frage. Ich verbringe meine Zeit lieber zu Hause mit meinen Kindern, am Strand oder in der Kirche.”

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Meike in Bitung

Betriebskoch vs. Meike

Der Höhepunkt eines jeden Arbeitstages ist für Meike das Mittagessen, bei dem sich die Beschäftigten eine Stunde lang entspannen können. Auf der Speisekarte stehen gebratenes Huhn, gesalzener Fisch oder Rindereintopf mit gedünstetem Reis und natürlich einem guten Löffel Sambal. Alle Kolleginnen und Kollegen sind sich einig, dass die Qualität des Essens seit der Zertifizierung viel besser geworden ist. Doch selbst der Betriebskoch kann mit Meikes Kochkünsten nicht mithalten. Ihr Lieblingsgericht ist Abon Ikan – ein traditionelles Gericht mit getrocknetem Thunfisch, lokalen Kräutern und Kokosnussmilch. “Ich mache dieses Gericht gerne zu Hause, wenn wir viele Gäste haben. Die Gemeinschaft in Bitung ist eng und herzlich, deshalb ist unser Haus an den Wochenenden immer voll.”

Zukunftsträume

Meike hat zwei Töchter. Die Jüngste, 19, hat gerade die High School abgeschlossen und arbeitet jetzt in derselben Fabrik wie ihre Mutter: in der Abteilung für Trockenfisch. Die Älteste ist 23 und hat ihr Studium der Aquakultur, genauer gesagt der Fischzucht, fast abgeschlossen.

In Indonesien gibt es diesbezüglich ein großes Entwicklungspotenzial. “Einerseits hoffe ich, dass meine beiden Töchter eine erfolgreiche Karriere machen werden.  Andererseits schaudert es mich schon bei dem Gedanken, dass sie auf die andere Seite des Landes ziehen könnten. Sie waren noch nie so weit von mir entfernt.”

Auf die Frage hin, ob Meike Träume für ihre Zukunft hat, antwortete sie: “Ich freue mich jedes Jahr darauf, in das Dorf zurückzukehren, in dem meine Familie lebt, etwa drei Stunden Busfahrt von Bitung entfernt. Für mich hat sich seit der Fair-Trade-Zertifizierung bereits ein Traum erfüllt, denn ich muss mir keine Sorgen mehr um die Zukunft machen. Doch wenn ich so richtig träumen darf, würde ich gerne einmal nach Amerika reisen!”