Was halten wir von dem Dokumentarfilm Seaspiracy?

Letzte Woche wurde der vieldiskutierte Dokumentarfilm Seaspiracy auf Netflix veröffentlicht. Dieser Film deckt den Missbrauch innerhalb der globalen Fischereiindustrie auf. Seit der Gründung von Fish Tales kämpfen wir dagegen an, indem wir durch intensive Kooperationen mit kleinen, verantwortungsvollen Fischereien eine nachhaltige Alternative anbieten. Unser Gründer und Fischexperte Bart van Olphen gibt hier seine Reaktion auf den Dokumentarfilm.

Es ist jedes Mal wieder erschütternd zu sehen, in welch schrecklichem Zustand sich die Weltmeere und die Fischergemeinden befinden. Mit viel Mut und unter Einsatz des eigenen Lebens zeigt Ali Tabrizi – der Dokumentarist – der Welt, was wir eigentlich nicht sehen wollen. Den desolaten Zustand unserer Ozeane.

Illegale Fischerei

Die Situation rund um die illegale Fischerei ist erschreckend und die Lebensumstände vieler Fischer sind sehr besorgniserregend. Ein erheblicher Teil der (illegalen und legalen) industriellen Fischerei ist für den hohen Grad der Überfischung verantwortlich und sorgt dafür, dass große Gruppen von Menschen in Entwicklungsländern fast keinen Fisch haben, mit dem sie handeln oder – schlimmer noch – den sie selbst essen können. Die Welt der Fische muss sich drastisch und schnell ändern. Illegale Fischerei muss verboten werden, wir müssen von der industriellen Fischerei zur Kleinfischerei übergehen. Internationale Gewässer müssen geschützt werden, und die Fischbestände müssen in aller Sicherheit wachsen können. Die Fischer müssen ihre Arbeit unter sicheren Bedingungen ausüben können. Und der gefangene Fisch muss vollständig transparent und bis zu seiner Herkunft rückverfolgbar sein. Die Fischerei muss sich am verfügbaren Fischangebot orientieren und nicht an der Nachfrage. Auf diese Weise ist es durchaus möglich, genügend nachhaltig gefangenen Fisch zu fangen. Wissenschaftliche Untersuchungen und Daten zu den Fischbeständen zeigen dies deutlich.

Lokale Fischer

Seit 2005 reise ich um die Welt, um nachhaltige Fischereigemeinden zu entdecken. In fast allen Fällen handelt es sich dabei um Fischereien, die mit dem MSC-Siegel zertifiziert sind. Ich habe etwa 60 Fischereien auf der ganzen Welt besucht. Ich habe mit lokalen Fischern gefischt, mit ihnen gekocht und mit ihnen gelebt. Auf fast jeder Reise habe ich bestätigt bekommen, dass nachhaltiger Fischfang sehr wohl möglich ist. Ich sah keinen oder nur minimalen Beifang, die Menge der gefangenen Fische passte zum Begriff “Kleinfischerei”. Die Fischer waren immer aufrichtig naturverbunden. Nur bei zwei Fischereien habe ich Dinge gesehen, bei denen ich einige Fragezeichen hatte. In beiden Fällen betraf dies die Menge des Beifangs. Für mich steht der MSC für das, wofür er stehen sollte: nachhaltige Fischerei. Ich bin nicht immer ganz einverstanden mit MSC. Deshalb haben wir bei Fish Tales Anforderungen und Bedingungen für nachhaltigen Fischfang aufgestellt, die zum Teil über das MSC-Programm hinausgehen.

Kommerzieller Sektor

Im Film suggeriert der Dokumentarfilmer fälschlicherweise, dass MSC eine kommerzielle Organisation ist, weil sie Einnahmen aus den Logo-Lizenzen erzielt. Der MSC ist jedoch eine gemeinnützige Organisation. Die Einnahmen aus den Lizenzen werden verwendet, um in nachhaltige Fischerei zu investieren. MSC berichtet immer ausführlich und detailliert über die Finanzen. Ich war daher sehr überrascht, dass MSC sich weigerte, in der Dokumentation interviewt zu werden. Gerade weil sie nichts zu verbergen haben, halte ich das für eine große verpasste Chance. Von einem transparenten Qualitätszeichen kann man erwarten, dass es offen antwortet. Inzwischen hat MSC auf ihrer Website auf den Film reagiert.

Unterbelichtet

Auch ich kritisiere die Macher. Der Dokumentarfilm lässt mehrere wichtige Themen einfach unbeleuchtet oder sogar völlig außer Acht. Der Teil über Fischereimissbrauch bezieht sich auf große industrielle Fischereien. Ohne die Tatsache zu berücksichtigen, dass es weltweit viele nachhaltige Kleinfischereien gibt, mit Gemeinden, die seit Generationen verantwortungsvoll Fisch aus gesunden Fischbeständen fangen. Der Dokumentarist verschweigt auch, dass zehn bis zwölf Prozent der Weltbevölkerung direkt vom Fischfang abhängig sind, wovon neunzig Prozent in Entwicklungsländern leben. Auf den Verzehr von Fisch zu verzichten, wie es im Dokumentarfilm diskutiert wird, ist für diese Gemeinschaften überhaupt keine Option. Und es ist auch gar nicht nötig, denn nachhaltiger Fischfang ist unter strengen Bedingungen und unter Aufsicht, wie bereits erwähnt, durchaus möglich. Eine weitere kritische Anmerkung ist, dass ich manchmal an den Zahlen und der Objektivität und Absicht, mit der die Macher die Dinge präsentieren, zweifle.

Fazit

Trotzdem finde ich es gut, dass diese Dokumentation gemacht wurde. In anderthalb Stunden nimmt Ali den Zuschauer mit in die dunklen Seiten der Fischwelt und zeigt überzeugend, wie schlecht es um die Ozeane und Fischbestände heute steht. Ich habe das bei meinen vielen Reisen in den letzten fünfzehn Jahren mit eigenen Augen gesehen und erlebt. Und genau aus diesem Grund haben wir Fish Tales gegründet. Um einen Beitrag zu besseren Ozeanen zu leisten und um Fisch weiterhin auf verantwortungsvolle Art und Weise genießen zu können. Jetzt und in Zukunft.

Amsterdam – Die Niederlande

31 März 2021

Bart van Olphen

Mitgründer Fish Tales