Bart auf Entdeckungsreise in Japan – Teil 1

Endlose Gänge, Tausende von Quadratmetern, eine gigantische Menge an Fisch und zahllose japanische Gastronomen: Bart steht in den frühen Morgenstunden mitten auf dem berühmten Tsukiji-Fischmarkt in Tokio und traut seinen Augen nicht. Der größte Fischmarkt der Welt verdankt seine Bekanntheit allerdings nicht nur seiner enormen Fläche von mehr als 200.000 Quadratmetern; es sind vor allem Hunderte Kilogramm Thunfisch, die im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Der einzige MSC-zertifizierte Fischhändler vor Ort, Mr. Wada, führt Bart auf diesem überwältigenden Megamarkt herum.

Bart ist im Zwiespalt angesichts der über vierhundert verschiedenen Arten von Fischen, Schalen- und Krustentieren, Algen und anderen Meerestieren, die pro Jahr für einen Umsatz von 600 Billionen Yen sorgen. „Der Koch in mir erlebt diesen Anblick als beeindruckend. Es riecht hier gar nicht nach Fisch, ein Zeichen dafür, wie frisch alle Produkte sind. Die Japaner gehen vorsichtig mit dem für sie so wichtigen Fisch um. Hier wird nicht mit Fisch geworfen, was ich an vielen Orten auf der Welt anders gesehen habe. Aber meine Faszination wird stark gebremst von der Erkenntnis, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Wenn man diese unglaublichen Mengen an Fisch sieht, dann weiß man, dass hier der Gesundheit der Fischbestände keinerlei Beachtung geschenkt wird. Überfischung ist in Japan ein großes Problem. In einem Land, in dem der Konsum von Fisch so ein fester Bestandteil der Kultur ist, ist es enorm schwierig, Veränderungen herbeizuführen.”

Thunfisch

Das Highlight des Tsukiji-Marktes ist die Thunfischauktion, bei der japanische Lieblingsfisch mit lautem Geschrei verkauft wird. Der Wettbewerb unter den Köchen, die hauptsächlich Thunfisch in einem der unzähligen Sushi-Restaurants servieren, ist mörderisch. Um Punkt 5:20 Uhr bricht der tägliche Kampf um das schönste Exemplar aus. Zusammen mit Mr. Wada verfolgt Bart, wie auch unter Schutz stehende Arten wie Roter Thun unter den Hammer kommen.

Im Gegensatz zu anderen Händlern bietet Mr. Wada ausschließlich Weißen Thun und Echten Bonito (Skipjack-Thunfisch) auf dem Markt an. Das sind die einzigen Thunfischarten, die bei bestimmten japanischen Fischereien MSC-zertifiziert sind. „Das ist zwar fantastisch, aber zwischen 1.000 Händlern ist das die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Die Gastronomen und Köche, die Fisch auf diesem Markt kaufen, suchen nicht nach diesem einen nachhaltigen Thunfisch. Alles dreht sich um Qualität, Geschmack, Gewicht und Preis.”

Trotzdem laufen einige Dinge auch gut und es gibt manches, wovon wir sogar lernen können. Denn wo wir Deutschen und auch die Niederländer hauptsächlich Lachs, Alaska-Seelachs, Thunfisch und Kabeljau essen, lebt der Japaner nach den Jahreszeiten. „Wir Niederländer exportieren zum Beispiel Wittling, Steinbutt und Knurrhahn in großen Mengen nach Südeuropa, weil diese Arten bei uns nicht wirklich gegessen werden. In Japan hingegen werden alle verfügbaren Fischarten gegessen. Köche arbeiten lieber mit lokalen Produkten und halten sich nicht an vier, sondern an vierundzwanzig Jahreszeiten. Alle zwei Wochen wechselt das Angebot auf den Speisekarten, je nachdem,  was das Meer gerade zu bieten hat.”

Und auf den Speisekarten stehen nicht nur Filets ohne Haut. Im Gegenteil. „Die Köche hier servieren wirklich alles! Ihr Wissen und ihre Erfahrung sind beispiellos. Sie können sogar mit den Augen eines Fisches ein tolles Gericht zubereite. Kein Kopf und keine Flosse wird weggeworfen, Lebensmittelverschwendung ist hier ein Fremdwort.”

Frischer Wind

In einem traditionsreichen Land wie Japan, in dem die Esskultur sehr wichtig und sichtbar ist und die Menschen häufiger außer Haus essen als selbst zu kochen, ist es schwierig, Veränderungen zu bewirken. Neben einer Gruppe motivierter Jungköche und der größten Supermarktkette Japans – Aeon – versucht Bart auch dazu beizutragen, das Bewusstsein für das gigantische Problem der Überfischung und des enormen Fischkonsums zu schaffen. „Jahrzehnten ist der extrem hohe Fischkonsum in Japan kein Problem gewesen. Aber mit einer Bevölkerung von mittlerweile 127 Millionen Menschen und den schrumpfenden Fischbeständen wird das in kurzer Zeit zu einem spürbaren Problem werden. Es wird weniger Fisch verfügbar sein und deshalb werden die Preise steigen. Ausgerechnet Japan, das Land, in dem Menschen in außergewöhnlichem Maße von Fische genießen wollen, kümmert sich nicht um die Ozeane. Vor zehn Jahren standen wir in den Niederlanden vor einem ähnlichen Problem – und uns ist es gelungen, das Ruder herumzureißen. Das wird hier auch gelingen, aber die Herausforderungen sind größer. Wo wir gerne auch Eintopf mit Wurst essen, dreht sich hier alles nur um ein Ding: Fisch. An jeder Straßenecke gibt es ein Sushi-Restaurant, in dem Thunfisch serviert wird. Wir müssen deshalb nicht nur das Bewusstsein beim Verbraucher schärfen, sondern auch bei den Köchen.”

Die Leute, die Bart bisher in Japan kennengelernt hat, sind absolut bereit, sich gemeinsam für mehr Nachhaltigkeit einzusetzen. „Ich wollte das schon so lange einmal aus nächster Nähe erleben, und obwohl es schockierend war zu sehen, wie es auf dem Tsjukiji-Markt und höchstwahrscheinlich auf allen japanischen Fischmärkten zugeht, ist es für mich auch eine klare Motivation um zu handeln.”

Und genau das hat Bart dann auch letzte Nacht gemacht: Zusammen mit einem Team motivierter, junger japanischer (Fisch-)Köche mit ausschließlich nachhaltigem Fisch  zu kochen, bei einem großen Pressedinner für fünfunddreißig Journalisten, von nationalen Zeitungen bis hin zu renommierten Lebensmittelmagazinen. Darüber erfahrt ihr später mehr!

Written by Eline Cox